„Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“ Dieses Zitat des Dichters Dschalâl-ed-dîn Rumî beschreibt treffend, was Mediation sein kann. Mediation (lat. Für Vermittlung) ist ein außergerichtliches Verfahren zur Konfliktlösung. Eines ihrer bekanntesten Anwendungsgebiete ist die Scheidungsmediation. Was ist nun aber die Überschnittsmaterie von Mediation und Scheidung?
Wenn Paare sich trennen, ist es oft der beiderseitige Wunsch sich im Guten zu lösen. Insbesondere wenn Kinder in die Trennung involviert sind, besteht oftmals der Wunsch den sogenannten „Rosenkrieg“ zu vermeiden. Selten jedoch sind sich Paare, die auseinander gehen, in allen Punkten einig. „Fair“ soll es ein und „man will bekommen, was einem von Rechts wegen zusteht“. Solche oder ähnliche Sätze hört man als Rechtsanwält*in dann oft beim ersten Beratungsgespräch. Und was ist fair oder gerecht? Zwar legt das Gesetz gewisse Rahmenbedingungen fest bzw. hat die ständige Rechtsprechung Leitsätze entwickelt, die bei Scheidung oder Obsorgestreitigkeiten einen Weg vorgeben, doch genau darin besteht auch die Schwierigkeit. Kein Konflikt ist wie der andere und Beziehungen sind komplex, daher kann das Gesetz nicht jedem Einzelfall Rechnung tragen.
Mediation und Scheidung?
Die Mediation kann in diesen Fällen einen alternativen Weg bieten. Der/die Mediator*in unterstützt die Beteiligten bei der Konfliktlösung, ohne jedoch die Lösung vorzugeben. Denn niemand kann besser entscheiden, was eine faire Lösung darstellt, als die Konfliktbeteiligten selbst. Eine gerichtliche Entscheidung gibt das Ergebnis vor. In der Mediation gestalten die Beteiligten, im Rahmen des gesetzlich Zulässigen, ihr Ergebnis selbst. Voraussetzung ist einzig die Bereitschaft sich im Sinn einer gütlichen Lösung auf dieses Verfahren einzulassen.
Mediation und Recht?
Mediator*innen moderieren das Gespräch und ergründen mit gezielten Frage- und Kommunikationstechniken die tatsächlichen Bedürfnisse, die oftmals hinter Vorwürfen und Forderungen versteckt sind. Dabei haben Mediator*innen eine neutrale und allparteiliche Haltung einzunehmen. Sie sind beiden Parteien gleichermaßen zur Unterstützung verpflichtet. Das unterscheidet die Rolle der Mediator*innen von jener der Rechtsbeistände. Anwälte und Anwältinnen sind ausschließlich den Interessen ihrer Mandantschaft verpflichtet. Und damit sind sie zwangsläufig parteiisch. Ein Rechtsbeistand kann aber im Hintergrund einen Einblick in die rechtliche Situation bieten. Wenn man beispielsweise weiß, dass Beweise über die Untreue des anderen Eheteils eine rechtliche Relevanz aufweisen, wird das auch die Verhandlungsposition in der Mediation beeinflussen. Von den Parteien erarbeitete (Teil)lösungen können zwischen den Mediationssitzungen durch Beiziehung der jeweiligen Rechtsvertretung auf rechtliche Umsetzbarkeit geprüft und im nächsten gemeinsamen Termin noch einmal evaluiert werden. Gerade weil die Rechtslage beeinflusst, was von den Parteien als fair empfunden wird. Die Mediation findet somit nicht im „rechtsfreien Raum“ statt.
Die Arbeit von Mediator*innen und Rechtsanwält*innen kann sich sinnvoll ergänzen, zumal Rechtsanwät*innen bei der Vermittlung in Konflikten insofern Grenzen gesetzt sind, als sie aus standesrechtlichen Gründen nur eine Partei vertreten dürfen. Gerade wenn Paare sich schlichtweg auseinandergelebt haben und keine schwerwiegenden Eheverfehlungen im Raum stehen, kommt es vor, dass beide Eheleute zu einem/einer Rechtsanwält*in kommen, um sich über die Konsequenzen einer Trennung gemeinsam zu informieren. Tritt ein/e Anwält*in im ersten Schritt beiden Eheleuten gegenüber als Vermittler*in auf, so darf er/sie keine der beiden vertreten. Hier kann der/die Mediator*in zunächst die Vermittlerrolle einnehmen, während der/die Anwält*innen parallel oder danach die rechtlichen Interessen seiner/ihrer Mandantschaft wahrt.
Am Ende einer erfolgreichen Mediation schließen die Betroffenen eine Mediationsvereinbarung, die alle Punkte der Einigung abbildet und die Basis für einen gerichtlichen Scheidungsvergleich bilden kann. Hier kommen zumeist erneut die Rechtsvertreter*innen ins Spiel, welche die getroffene Vereinbarung in einen juristisch korrekten Vergleichstext gießen.
Mediation und Gerichtsverfahren – Mediator*innen als Zeug*innen?
Ein Mediationsverfahren ist im Vergleich zu einem strittigen Gerichtsverfahren kostengünstig, unter anderem, weil es das Risiko, die Kosten der Gegenpartei ersetzen zu müssen, nicht gibt. Die Stundensätze sind oftmals niedriger und unter gewissen Voraussetzungen kann auch eine vom Bundeskanzleramt geförderte Familienmediation in Anspruch genommen werden.
Die Mediation ist zudem vertraulich. Der/ Die Mediatori*in ist zu absoluter Verschwiegenheit über jene Tatsachen verpflichtet, die ihm/ihr im Rahmen der Mediation bekannt geworden sind. Dieses Verschwiegenheitsgebot geht so weit, dass Mediator*innen vor Gericht nicht als Zeug*innen einvernommen werden dürfen (§320 ZPO). Die Möglichkeit den/die Mediator*in von der Verschwiegenheitspflicht zu „entbinden“ ist im Zivilprozess nicht vorgesehen. Diese Regelung verhindert, dass in einer Mediation anvertraute Informationen in einem späteren Zivilverfahren zum Nachteil einer Partei ausgelegt werden könnten. Gerade für die Bereitschaft an einer Mediation teilzunehmen, sind das Vertrauensverhältnis zu dem/der Mediator*in und die daraus resultierende Verschwiegenheitspflicht essenziell. Ausschließlich zu der Frage nach dem formellen Beginn der Mediation, kann ein/e Mediator*in befragt werden, wenn es darum geht die Möglichkeit einer Verjährung zu klären. Denn der Beginn und die gehörige Fortsetzung einer Mediation hemmen Anfang und Fortlauf der Verjährungsfrist zur Geltendmachung der von der Mediation betroffenen Rechten und Ansprüche.
Achtung: Es gilt in Österreich nach wie vor das Verschuldensprinzip. Wenn eine Person durch schwere Eheverfehlungen das Scheitern der Ehe zu verantworten hat, kann das auch finanziell ungemütlich werden. Besonders, wenn die „schuldige“ Person deutlich mehr verdient als die „Unschuldige“. Das kann nämlich in der Verpflichtung zur Leistung von nachehelichem Unterhalt resultieren. Im Hinblick darauf, kann es aus anwaltlicher Sicht kritisch sein in einer Scheidungsmediation etwaige außereheliche Affären oder andere Fehltritte zu offenbaren. Mediator*innen dürfen, wie bereits ausgeführt, zwar nicht als Zeug*innen einvernommen werden. Die Eheleute selbst können bei einem Scheitern der Mediation sehr wohl dem Gericht darlegen, was besprochen wurde- und tun dies auch häufig. Ebenso könnte es bei einer Mediation im Rahmen eines Obsorgeverfahrens problematisch sein, dem anderen Elternteil gegenüber Dinge zuzugestehen, die die eigene Erziehungsfähigkeit in Zweifel ziehen. Derartige Offenbarungen könnten später gerichtlich verwendet werden. In diesem Fall entscheidet dann die freie Beweiswürdigung des/der zuständigen Richter*in. Die Mediation kann also aus anwaltlicher Sicht ein nützliches Hilfsmittel darstellen, um strittige Konflikte zu lösen, mit einer Paartherapie oder einer Beichte verwechseln, darf man sie aber nicht.
Ist Mediation in jedem Fall sinnvoll?
Die Mediation birgt in familienrechtlichen Konflikten großes Potenzial. Gleichzeitig ist sie kein „Allheilmittel“ und eignet sich auch nicht in jedem Fall. Verspüren Menschen den Wunsch, dem anderen eben gerade nicht entgegenkommen zu wollen, hat das seine Berechtigung. Die Mediation kann nur erfolgreich sein, wenn sie von der Freiwilligkeit der Parteien getragen wird. Die Betroffenen müssen darauf verzichten können, dass ein Gericht feststellt, dass ihnen zu Lasten Unrecht geschehen ist. In der anwaltlichen Praxis erlebt man, dass es den Menschen oft auch darum geht, „Recht zu haben“. Es braucht auf beiden Seiten die Bereitschaft sich zu bewegen.
Eine Einigung ist eine gute Sache, sollte jedoch auf Augenhöhe erfolgen. Das kann beispielsweise bei Beziehungen mit einer Gewaltdynamik herausfordernd sein und birgt Risiken. Die Mediation ist ein auf die Zukunft ausgerichtetes Verfahren, in dem es nur in engen Grenzen um die Aufarbeitung und Schuldzuweisungen für Vorfälle aus der Vergangenheit geht. Mediation darf nicht mit einer therapeutischen Sitzung gleichgesetzt werden. Zudem besteht in Gewaltbeziehungen die Gefahr, dass die Fähigkeit der Gewaltbetroffenen selbstbestimmt zu verhandeln, beispielsweise aufgrund der durch den/die Partner*in ausgeübten Macht oder infolge vergangener Traumatisierungen, eingeschränkt ist.
Auch in Fällen, in denen der Konflikt bereits so hoch eskaliert ist, dass eine Mediation nicht mehr zielführend ist, weil es absolut keine Gesprächsbasis mehr gibt, braucht es eine Gerichtsentscheidung als Machteingriff von außen.
Außergerichtliche Streitbeilegung gerichtlich anordnen?
Die Vorteile der Mediation hat auch der Gesetzgeber bereits erkannt. Bei Streitigkeiten wegen Obsorge und/oder Kontaktrecht kann zumindest ein Erstgespräch zur Mediation verpflichtend angeordnet werden. Die Fortsetzung der Mediation kann jedoch auch das Gericht nicht erzwingen, denn eine tragfähige Lösung kann nur erzielt werden, wenn alle Beteiligten dies tatsächlich wollen. Mediation ist stets freiwillig und kann jederzeit von einem oder beiden Beteiligten beendet werden. Doch selbst wenn keine ganzheitliche Einigung erzielt wird, können auch Teilergebnisse ein Fortschritt sein.
Dieser Beitrag wurde von Verena Wöss und Theresa Kamp verfasst und erschien erstmalig bei der Standard.
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