Vielen Menschen ist bekannt, dass in Österreich nach wie vor das Verschuldensprinzip gilt. Die meisten Menschen haben auch ein ungefähres Gefühl dafür, dass bestimmte Verhaltensweisen wie etwa Untreue, in einem Scheidungsverfahren nachteilig sein könnten. Das ist grundsätzlich auch richtig. Kann einer Person vor Gericht das alleinige oder überwiegende Verschulden am Scheitern der Ehe nachgewiesen werden, kann das für diese Person unangenehme finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. Weit weniger bekannt ist der Umstand, dass auch eine Verjärung von Eheverfehlungen gibt. Möchte man aufgrund eines gravierenden Fehlverhaltens des oder der Partnerin die Scheidungsklage erheben, hat man dafür nicht unbegrenzt Zeit. Eheverfehlungen haben nicht gerade das Verfallsdatum von Milchprodukten aber besonders lang Zeit hat man nicht um tätig zu werden. Grundgedanke ist, dass ein jahrelang zurückliegender Fehltritt nicht immer, wie ein Damoklesschwert, über einer Person schweben soll.
Welche Fristen gibt es zu beachten bei der Verjährung von eheverfehlungen?
Es gibt keine absoluten Scheidungsgründe mehr, wie das früher der Fall war. Auch Untreue ist beispielsweise kein absoluter Scheidungsgrund mehr und führt auch nicht in jedem Fall automatisch dazu, dass man ein Scheidungsverfahren verliert. Auch im Fall eines Ehebruchs hat eine Verschuldensabwägung vom Gericht stattzufinden und sind die Verhaltensabweisen der Eheleute abzuwiegen. Konkret muss die schwere Eheverfehlung kausal, also der Grund für das Scheitern der Ehe gewesen sein.
Grundsätzlich hat man für das Einbringen einer Scheidungsklage wegen eines Fehlverhaltens bzw. einer Eheverfehlung des oder der Partnerin, ab dem Zeitpunkt wo sie einem bekannt ist, 6 Monate Zeit. Diese Frist kann sich unter Umständen verlängern. Wenn es sich um ein fortgesetztes Fehlverhalten wie zum Beispiel eine andauernde außereheliche Beziehung handelt oder wenn eine Person aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist und die eheliche Wohngemeinschaft aufgehoben ist, kann diese Verjährungsfrist gehemmt werden. Dennoch ist ein Zeitraum von sechs Monaten ab Kenntnis keine sehr lange Zeitspanne. Dem Ehepartner, der Ehepartnerin dem eine Eheverfehlung des anderen bekannt wird, soll zwar eine Überlegungsfrist haben, gleichzeitig soll man sich Eheverfehlungen auch nicht auf Vorrat aufbehalten können, um sie später möglicherweise, einmal verwenden zu können, wenn es einem gerade passt. Immer wieder müssen sich auch Familiengerichte mit der (vermeintlichen) Verjährung von Eheverfehlungen beschäftigen. Vor kurzem hatte sich auch der Oberster Gerichtshof damit auseinanderzusetzen (OGH 27.7.2021, 4 Ob 56/20w).
Im konkreten Fall besaß der Ehemann eine kinderpornographische Sammlung. Das Ehepaar war bereits lange verheiratet. Die Ehefrau entdeckte die Sammlung ihres Mannes und hatte mehr als sechs Monate Kenntnis hievon, ohne die Scheidungsklage einzubringen. Die Ehefrau war nämlich der Meinung, der Besitz von Kinderpornografie würde eine fortgesetzte Eheverfehlung darstellen. Das Gericht sah das anders. Es sei zwar klar, dass der Besitz von Kinderpornografie eine Eheverfehlung sei, die einen Scheidungsgrund darstelle. Es handle sich aber nicht um eine fortgesetzte Eheverfehlung. Eine Scheidung aus Verschulden kam deshalb laut dem OGH aufgrund der Fristüberschreitung nicht mehr infrage. Dass die Frau ihren Gatten bereits zuvor bei der Polizei angezeigt hatte, änderte daran nichts.
Absolute Frist von 10 Jahren
Außerdem gibt es noch eine zweite wesentliche Frist in diesem Zusammenhang zu beachten: Liegt eine Eheverfehlung mehr als 10 Jahre zurück, kann sie jedenfalls nicht mehr geltend gemacht werden. Das nennt man die absolute Verjährungsfrist. Erfährt man beispielsweise, dass der Ehepartner oder die Ehepartnerin sich vor 12 Jahren auf einer Studienreise einen betrunkenen Fehltritt geleistet hat, kann man das Scheidungsbegehren darauf nicht mehr stützen.
Welche Rolle spielt die Verzeihung bei der verjährung von eheverfehlungen?
Wenn ein Ehegatte dem anderen verziehen hat oder sein Verhalten nicht als ehezerstörend empfunden hat, kann keine Scheidung aus Verschulden des anderen mehr begehrt werden. Die ältere Rechtsprechung hat Verzeihung regelmäßig dann angenommen, wenn es nach Kenntnis des Fehlverhaltens noch regelmäßigen ehelichen Geschlechtsverkehr gab. Einmaliger Sex war beispielsweise nicht ausreichend. Die jüngere Rechtsprechung sieht das aber differenzierter und geht nicht automatisch von Verzeihung aus, wenn weiterhin das Bett geteilt wird. Vielmehr wird darauf abgestellt, ob aus dem Gesamtverhalten des verletzten Ehegatten die Wiederherstellung einer umfassenden Lebensgemeinschaft angenommen werden kann. Zum Beispiel auch durch gemeinsames Verreisen bzw Freizeitgestaltungen – oder indem man dem eigenen Partner, der eigenen Partnerin weiterhin freundschaftlich verbunden ist.
Dieser Beitrag wurde erstmals am 03. Jänner 2023 bei “Der Standard” veröffentlicht.
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